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Autoverkauf auf Stiefelbachs Art

Astrid Diefenbach • Dez. 09, 2020

Zu viele Autos im Hof

Durch die Pandemie haben wir die Hälfte unseres Fuhrparks zurückbekommen. Normalerweise sind ein paar Autos im Hof kein Problem, obwohl ich dann IMMER darauf poche, die alten Autos, die einfach reparaturanfälliger werden, zu verkaufen. Bisher wurde der Plan dann immer von Mietanfragen durchkreuzt. Und klar, auch wenn wir nicht die volle Miete bekommen, sind die immer noch rentabler als die Zinsen. 
Doch jetzt stehen seit vier Monaten acht unserer Autos rum. Also setze ich mich durch, dass vier davon verkauft werden. Es sind natürlich die vier, die problematisch sind. Es sind Fahrzeuge mit Schäden und die Ersatzteile sind schwer zu bekommen. Einer davon ist seit Monaten in der Werkstatt. Es ist nicht das erste Mal, dass wir monatelang auf die Vollendung des Autos warten. 
Der erste ist schnell weg, der Beste davon. Was ist so schwer daran zu verstehen, wenn ich sage, der Preis ist nicht verhandelbar? Da wird mir erzählt, welche Kosten noch für Versicherung und Ummeldung auf den Käufer zukommen. Junge, das weiß ich, hatte ich nämlich auch. Im Gegenteil, wir zahlen für die Autos das Doppelte an Versicherung, da sie über die Firma angemeldet sind. Und niemand weiß, was für eine Versicherung es überhaupt ist. Aber er nimmt ihn. 
„Ich habe 30.000 LE, die kann ich anzahlen“, schreibt er mir. Und was soll ich dann machen? Meint er, er kann dann das Auto mitnehmen? Und ohne Auto wird er mir das Geld nicht geben wollen. 
„Melde dich, wenn du alles hast, dann machen wir direkt den Vertrag“, antworte ich deshalb. 
Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Auto zu kaufen, bzw. zu verkaufen. Einmal mit einer Taukil, einer Vollmacht. Diese Art bevorzugen meist die Ausländer, damit sie dann auf die noch vorhandene Betriebserlaubnis fahren können. Wenn man als Ausländer ein Fahrzeug auf seinen eigenen Namen anmelden möchte, geht das nicht so einfach. Bei der aller ersten Anmeldung eines Fahrzeuges muss man sich erst einmal auf der Verkehrspolizei registrieren und überprüfen lassen. Das dauert zwischen vier Wochen und vier Monate. Erst wenn man dann seine Registrierung hat, kann man jederzeit ein Fahrzeug auf den eigenen Namen anmelden. Zweite Hürde, man bekommt die Zulassung für das Auto nur so lange, wie das Visum gültig ist. Das ist maximal ein Jahr. Deshalb läuft unsere Autovermietung ja so gut. 
Wir als Verkäufer haben den Fehler einmal gemacht, einer Deutschen unser Auto per Taukil zu verkaufen. Sie ist dann auf unseren Namen weitergefahren, obwohl die Erlaubnis schon lange abgelaufen war. Ein Jahr durften wir Versicherung bezahlen, und natürlich eine Strafe. Und die Dame war nicht gewillt uns das zurückzubezahlen. Es ist schon was dran an dem Spruch: „Gott behüte uns vor Schnee und Wind, und vor Deutschen die im Ausland sind.“
Deshalb verkaufen wir die Fahrzeuge nur noch mit Kaufvertrag, wie man das auch in Deutschland kennt. Dann ist der Käufer verpflichtet, innerhalb von einem Monat das Auto auf seinen Namen zu schreiben. Macht er das nicht, haftet er dafür. 
Essam, unser ägyptischer Spezialist für Autoanmeldungen, Abmeldungen und Verkäufe wird informiert, dass er mit Andreas das machen soll. Er sagt mir, wir sollten uns um halb neun vor dem Amt treffen, die diese Beurkundungen machen. Dann ruft er mich nochmal zurück und meint, wenn wir einen Vertrag machen wollen, ist das andere Amt dafür zuständig, um halb elf. Ich bestelle also den Käufer um halb elf dahin, und auch Mohamed, unser ägyptischer ADAC, da er noch ein Auto von uns hat. Dann kann Andreas mit diesem Auto wieder heimfahren. 
Es ist 8.30 Uhr und Essam ruft an, wo wir bleiben. „Du sagtest doch halb elf?“ Andreas wirft ein: 
„Ich habe doch richtig verstanden! Tessa we noss! Halb neun!“
„Nein, er hat doch die Zeit verändert!“, rufe ich Andreas zu, während Essam am Telefon sich über die vermeintlich deutsche Pünktlichkeit lustig macht. „Essam, der Käufer kommt auch erst um halb Elf! Bitte rufe ihn an!“
Jetzt beginnt Hektik. Andreas ist noch gar nicht angezogen und viel schlimmer, er hat noch keine Morgenshisha. Ich habe inzwischen aufgelegt und er schnauzt mich an: „Da machst du 100 Lektionen arabisch und verstehst noch nicht einmal die Zeit!“ Ja, irgendwo hat er Recht. Ich bekomme es einfach nicht hin, die Ägypter zu verstehen. Ich kann besser reden, aber antworten darf mir keiner. 
„Du brauchst dich nicht zu beeilen, der Käufer muss auch erst kommen!“
„Aber Essam ist schon da!“
Er zieht sich an, sammelt Geld aus den letzten Löchern. „Du bekommst doch jetzt Geld!“, wage ich einzuwerfen. 
„Ich gehe nicht ohne Geld aus dem Haus. Was brauche ich noch?“ Er schaut auf unserem Küchenbuffet rum, wo sein Pass mit Visum liegt. Er packt ihn ein, denn ohne den geht gar nichts. Tatsächlich braucht man zum Autoverkauf nichts, außer den Pass von beiden Parteien und die Rochsa (Fahrzeugschein). Er fährt schlecht gelaunt los. Ich schnaufe erst mal tief durch und mache die Türe zum Balkon auf, um die schlechte Energie raus zu lassen. Beim Brühen einer Tasse Kaffee beneide ich mich darum, meinem Morgentrott nachgehen zu können. Auf dem Balkon zünde ich mir eine Zigarette an und dann fällt mir siedend heiß ein, ob er denn auch an den zweiten Autoschlüssel gedacht hat, den ich gestern geholt hatte. Der Originalschlüssel hat drei Monate Odyssee mit DHL hinter sich, da die letzten Kunden dieses Autos, wegen Corona nicht mehr aus Spanien ausreisen konnten und den Autoschlüssel sinnigerweise dabei hatten. Ein Blick auf das Sideboard bestätigt meine Vermutung. Natürlich liegt dort der Schlüssel. Mir kommt ein noch schlimmerer Gedanke: Hat er überhaupt das zu verkaufende Auto dabei?
Ich springe zum Balkon und schaue auf unseren Fuhrpark wo auch der Speranza in Reih und Glied unbewegt steht. Andreas ist mit unserem Privatwagen unterwegs. Wäre ja nicht so schlimm, aber er braucht die Rochsa, die im Auto ist, für den Verkauf. Also rufe ich ihn an. Genervt geht er ans Telefon. 
„Schatz, du solltest schon das Auto mitnehmen, dass du jetzt verkaufst!“ Er realisiert sofort, was da schiefläuft und muss trotzdem erst einmal lachen, bevor er sich über seine eigene Dummheit aufregt. „So ein Scheiß, jetzt muss ich erst einmal ewig fahren, bis der nächste U-Turn kommt.“ Ja, dass kann auch mal ein Nachteil sein, wenn man Straßen mit Mittelstreifen hat. Da kann man nicht einfach wenden. 
Ich bereite schon mal die beiden Schlüssel vor. Damit ich sie ihm einfach vom Balkon runterwerfen kann, suche ich nach einem Behältnis. Da liegt seine schwarze Bauchtasche, die ich eigentlich immer nutze. Ach packe die Schlüssel rein und wundere mich, was sich da so hart anfühlt. Irgend ein Pass oder Bankkarte, die wir vielleicht noch gar nicht vermissen? Ich mache den Reißverschluss auf und traue meinen Augen nicht! Ein Bündel druckfrischer 200 Pfundnoten lachen mir entgegen, mit einem Gummi zusammengebunden. Ich zähle das Geld. Tatsächlich 10.000 LE! Ich schüttle den Kopf. Es ist unfassbar, wo wir Geld verstecken, nicht mehr finden und NICHT VERMISSEN! Man könnte echt meinen, wir haben zu viel. 
Ich sende Andreas ein Bild davon und erhelle seine Laune mit dieser Neuigkeit. Ich werfe sie ihm runter. Nach einer halben Stunde bekomme ich eine Sprachnachricht. „Wo kommt Mohamed hin? Wir müssen auf das andere Amt, weil hier kein Übersetzer ist!“
„Ich denke, du musst ihn eh wecken, es ist nicht seine Zeit!“
Schon nach eineinhalb Stunden hat der Spuk ein Ende! Andreas hat das Auto verkauft, Essam hat Vertrag gemacht und kann das Firmenfahrzeug ordentlich abmelden und Mohamed bringt Andreas nach Hause und tauscht Autos. Das nächste, was verkauft werden soll, müsst noch ein bisschen repariert werden. Der Blinker hängt runter und wo der Heckscheibenwischer war, ist nur noch ein Loch. Wenn das gemacht ist, heißt es wieder, wir verkaufen ein Auto!

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