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Das seltsame Verhalten der Ägypter bei Nacht

Astrid Stiefel • Okt. 27, 2022

Verloren in der Wüste?

Jede Umgebung hat ein Tages- und ein Nachtkleid. Doch wenn man etwas außerhalb einer Stadt nachts fährt, bedeutet das Nachtkleid einfach nur - schwarz. Je nach dem, wie voll der Mond ist, kann man die Schemen der Umgebung mehr oder weniger erahnen. Doch fährt man auf einer unbeleuchteten Straße, fährt man einfach in ein schwarzes Loch. Wir haben es ausprobiert, da wir immer wieder fassungslos sind, wenn wir nachts einem Auto oder Motorrad begegnen, wie aus dem Nichts, ohne Licht! Nächte, in denen die Sterne zum greifen nah sind und man sogar die Satelliten, die um die Erde kreisen, beobachten kann. 

So ganz alleine ist man nie, wenn man nach Luxor fährt oder von einem Tagesausflug zurückkommt. Etwa 150 KM geht die Strecke durch die Berge, von Safaga bis Qena. Die Berge, die jeden Abend so schöne Motive zum Sonnenuntergang bieten! Eine Strecke, bei der man am Morgen die Natur genießen kann und die Berge einmal ganz nah sieht. Und man erkennt, dass es sich nur um Steine und Geröll handelt, was da bis zu 1000 Metern in die Höhe ragt. Und Sand, der mal grünlich oder rötlich ist, aber auch Schwarz wie Teer. Wer vor 10 Jahren die Strecke gefahren ist, wird die Hinfahrt nicht wieder erkennen. Es wurde eine neue Straße in die Berge geschlagen, um für beide Strecken einen separaten Weg zu haben. So ist gerade bei der Heimfahrt, die immer im Dunklen endet, wenigstens das Risiko, durch den Gegenverkehr geblendet zu werden, ausgeschaltet. Da die Straßen jedoch uneben sind, wie in ganz Ägypten, blenden auch die Autos hinter einem ziemlich unregelmäßig, durch das natürliche schaukeln der Fahrzeuge. Das ist auch der Grund, warum viele das Licht ausmachen, wenn sie hinter einem Auto fahren. 

Der Vordermann dagegen zeigt den Weg im Dunkeln an, in dem er vor jeder Kurve blinkt und bei Besonderheiten, wie eine Bodenunebenheiten oder ein Loch auf der Fahrbahn, den Warnblinker setzt. Das ganze hat also schon eine gewisse Logik, auch wenn wir das mit unserem europäischen Fahrverständnis eher belächeln. Doch letztens war ich dankbar, dass ich mich genau an so einen rücksichtsvollen Fahrer hängen konnte. 

Ich war mit zwei Gästen auf dem Rückweg von Luxor. Wir haben den Sonnenuntergang auf der Straße beobachtet und noch die letzten 20 Minuten Dämmerung genossen. Lange gab es keinen Checkpoint mehr. Die Grenzen zwischen zwei Städten, an denen man obligatorisch „Teleta Almaeny“ sagt, um die Nationalität der Insassen bekannt zu geben. Seltsamerweise interessiert sich beim Nachhauseweg niemand mehr dafür. Wir passieren die nächste Polizeikontrolle in den Bergen und halten rechts an. Hier ist ein kleines Cafe, an dem die überwiegend Ägypter halten. Der touristische Rastplatz ist etwas weiter vorn. Eine Toilette gibt es hier auch und für eine Zigarettenpause genügt es. 

Wir setzen uns wieder ins Auto, bereit die letzten 100 KM bis Safaga im Dunkeln zu fahren. Alle Türen zu, den Schlüssel im Zündschloss drehen und – nichts. Irritiert schaue ich auf die Anzeige für die Gänge der Automatik. Leider kann man in ägyptischen Autos den Motor ausmachen, ohne in die Parkposititon der Automatik geschalten zu haben. Aber Anlassen kann man es nicht. Doch der Hebel steht bei P. Nochmal - nichts. Innenbeleutchtung an, Batterie neu, denn dieses Problem hatte ich schon von einigen Tagen. Türen alle zu? Vollkommener Quatsch, denn das ist kein Grund, nicht zu starten, trotzdem. Nichts. Mein Gehirn sortiert die Lage: 2 Gäste, die das erste Mal in Ägypten sind, mitten in den Bergen mit einer deutschen Frau an einem Cafe mit ausschließlich Ägyptern, Polizei in Sichtweite. Ich selbst habe und hatte nie Angst in Ägypten. Lustigerweise werde ich das oft gefragt und ich antworte immer: „Ich könnte mitten in der Wüste stehen bleiben, ich hätte keine Angst.“ Genau so ist es auch. Doch die Gäste? Sie wirken entspannt . Doch auf die Frage, ob sie inzwischen einen Cafe trinken möchten, verneinen beide. 

Also steige ich aus, gehe an den Tisch mit den Ägyptern und verschaffe mir mit einem lauten „Lau samaht!“ , Aufmerksamkeit. Sieben Augenpaare sind auf mich gerichtet. Mit einfachem Ägyptisch frage ich, ob jemand sich mit Autos auskenne. Ich hätte da ein Problem, welches ich mit Mimik und Gestik erklärte. Ich zeige auf das Auto, mache die Handbewegung zum starten und sage „mafish!“, was „da ist nichts“ bedeutet. 

Alle springen auf und kommen mit zu meinem Auto. Hinter mir sehe ich im Augenwinkel, wie noch ein anderer Fahrer seinem Motor frisches Wasser gibt. Ich demonstriere, dass der Wagen nicht anspringt und zeige, dass es nicht die Batterie sein kann, weil diese neu ist. Das bestätigen mir die Ägpyter mit „Batteria gididda!“ Sofort sind die Fachleute sich einig, dass es wohl der „Dynamo“ ist. Sie versuchen selbst, das Auto zu starten. Eine schlechte Erfahrung kommt mir jetzt als Déjà-vu in Erinnerung. Vor sieben Jahren hatten wir eine Panne und der nette Mensch, der uns geholfen hat, hatte nebenbei aus unserem Auto das Smartphone von Andreas mitgenommen. Deshalb sage ich in ganz normalen Ton zu meinem Gast am Beifahrersitz, er möchte bitte meinen Geldbeutel und mein Handy in die Hand nehmen. Ganz ruhig und unauffällig macht er das. Sicher ist sicher. 

Die Männer diskutieren, ob man anschieben soll. Ich verstehe nur „Automatik“ und nicke beipflichtend, dass dieser Vorschlag nicht machbar ist. Mein Gast meint, man müsste überbrücken. Dankbar für diesen Tipp fällt mir wieder ein, dass wir ja eine Grundausstattung haben. Ein Überbrückungskabel und auch ein Gerät, mit dem man platte Reifen wieder aufpumpen kann über die Batterie. Aber diese tollen Werkzeuge sind in irgend welchen anderen Autos, nicht bei mir. Also frage ich nach einem Kabel. Die Ägypter zeigen zu einem LKW und meinen, dort gibt es so etwas. 

Ich sehe, dass der andere Fahrer, der Wasser aufgefüllt hatte, fertig ist und wegfahren möchte. Nein mein Lieber, ich brauche zum Kabel auch einen Motor. Also rufe ich ihn und zeige mit Gestik, dass er bitte zu meinem Auto fahren soll. Er versteht und kommt. 
Jetzt gehe ich zu dem Fahrerhaus, welches leer ist. Als ich mich umdrehe steht ein Mann in Galabea vor mir mit einem Tee in der Hand. Freundlich frage ich, ob er weiß, wo der Fahrer ist. „Sauwak fen?“ Er ist der Fahrer. Ich erkläre ihm, dass ich ein Kabel für Strom brauche. Anders weiß ich nicht, wie ich es übersetzen soll. Er versteht. Er stellt den Tee ab, sucht in einem Fach und kommt mit einem schwarzen, dicken Kabel und dem Tee mit zu meinem Auto. 

Aus der Gestik der Ägypter meine ich zu verstehen, dass das ein Kabel zum Abschleppen sei. Ich versuche nochmal zu erklären, dass wir es für die Batterie brauchen. Er grinst nur, stellt den Tee weg und macht die Kabel auseinander. Meine Gäste beobachten das Spektakel aus dem Auto und sind auch etwas verwirrt, dass man mit diesem schwarzen, schlauchähnlichen Kabel überbrücken will. 
Der LKW Fahrer gibt Anweisung. Er hält ein Kabelende an meine Batterie, holt einen Ägypter und übergibt. Anderes Ende an den Stromgeber. Auch dort wird ein Helfer eingewiesen. Dasselbe mit dem zweiten Kabel. Dann kommt mein Einsatz. Und? Er springt an. Alle freuen sich! Kabel und Tee werden wieder an sich genommen, Motorhaube zu und letzte Instruktionen des Fachmannes: „Fahre mit wenig Licht!“ Ein Dankeschön an alle und ein Ma’asa alama reichen aus. Denn der Glaube verbietet, dafür Geld zu nehmen. Allah lässt sonst bei einer Panne keinen Helfer kommen. Das weiß ich aus früheren Erlebnissen. 

Wir fahren los. Das mit wenig Licht ist einfach, denn es geht nur das Fernlicht. Ich sehe nicht weit vor mir ein Fahrzeug, dass ich jetzt einhole. Das ist mein Schutzengel für die restliche Fahrt. Sogar die Gäste sind entspannt hinter diesem routinierten Fahrer. 

„Na, da habt ihr was zu erzählen!“, wende ich mich jetzt meinen Mitfahrern zu. „Ja, das war ein Abenteuer! Was hättest du gemacht, wenn der Wagen nicht mehr angesprungen wäre?“

„Dann wären wir mit den Ägyptern im Minibus mitgefahren. In Safaga hätten wir uns ein Taxi geholt. Und wenn da kein Platz wäre, hätte uns die Polizei bis Safaga gebracht. Wie gesagt, hier wird einem Ausländer, besonders einer Frau, immer geholfen. Und Geld würde dafür niemand nehmen!“

Auch das ist ein Grund, warum ich hier so gern lebe! Und, nicht alles, was für uns seltsam ist, hat nicht doch eine Logik! Übrigens auch die Art, wie Ägypter sonst fahren. 


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