Gespannt schaue ich in meine Email, denn ich erwarte die ersten Essensvorschläge. Die erste Seite ist schon voll deprimierend. Bodymaßindex: 30,8! Für was habe ich denn meine schlaues, elektronisches Tagebucht? Dort kann ich nachschauen, was diese Zahl für mich bedeutet. Die Berechnungsformel kenne ich seit Jahren: KG: (Größe in cm xGröße in cm). Doch um zu wissen, was 30,8 bedeuet, brauche ich einen Referenzwert. Also, was ist normal? 

 Gespannt suche ich die Tabelle. Manchmal ist es doch gut, nicht mehr zu den Jüngsten zu gehören!

       Leichtes Übergewicht! Entspannt lehne ich mich zurück und beobachte Günter, der sich auch aus seiner „Hab Acht Stellung“ entspannt zurücklehnt. 

Differenz zum Normalgewicht: +16,8 KG! 

16,8 KG? Günter reibt sich auch die Augen und glaubt, das wir uns verlesen haben. Ich rechne und komme auf ein Ergebnis, was eine 6 vorne hat! Jetzt sehe ich auf dem Blatt Papier : Normalgewicht: 50,9-69 KG! 

Oh Gott, das letzte mal als ich unter 60 KG hatte, war in meiner Schulzeit! Günter stellt sich gerade vor, wie er nur noch aus Haut und Knochen besteht und schüttelt sich. Aber kurz zum Verständnis: wenn ich 16,8 KG abnehme, dann habe ich nur die 69 KG erreicht! Das wäre ja ein Traum. Denn auch die 6 hatte ich zuletzt, als ich , ja wann eigendlich? Ich glaube, als ich 23 Jahre war!

Also gut, ich lese in meiner Anleitung zum Schlankwerden weiter und entdecke einen Tippfehler: „Bitte 10000 Schritte täglich gehen!“ Da ist bestimmt eine Null zuviel! Günter nickt auch ganz heftig. Zum Test, lade ich mir einen Schrittezähler runter. Ich gehe sogar die 4 Stockwerke über die Treppen(aber nur runter)! Und, wieviele Schritte gehe ich am Tag? Ganze 2700! Na ja, eigentlich ist das ganz schön viel, wenn man bedenkt, dass die Strecke vom Fernseher zur Küche gerade mal 12 Schritte sind. Also, wohl doch kein Tippfehler? Jedoch ist MEIN Tagespensum wohl nicht ausreichend. Also werde ich wohl meine passive Mitgliedschaft im Fitnessstudion wiedermal in aktiv umwandeln. 

16,8 KG – 2700 Schritte – 16,8 KG – 2700 Schritte es verfolgt mich. Deshalb gehe ich JETZT! Auch wenn sich Andreas nicht dazu bereit erklärt. Ich gehe und Günter wird nicht gefragt. Als Motivation rufe ich meine Freundin Renate an, die seit sechs Wochen erfolgreich 3 mal wöchentlich Sport macht. Übrigens in UNSREM Fitnesstudio, was WIR ihr empfohlen haben! Um mit ihr telefonieren zu können, nehme ich nicht den Aufzug, sondern die Treppe. Immerhin bekomme ich dann 60 Schritte zusammen. Ich erzähle ihr von meinem Vorhaben und schließe die Autotüre auf.

 „Verdammt, jetzt habe ich die Handtücher vergessen!“ 

„Soll ich dir welche vorbeibringen?“ Sie wohnt quasi neben dem Studio. Ich nehme sie mit zum Aufzug und erkläre ihr, dass ich noch gar nicht losgefahren sei. Sie bekommt einen Lachflash. Wahrscheinlich stellt sie sich gerade das Gesicht von Andreas vor, welches er vor ein paar Tagen machte, als ich auch was vergessen hatte und er mich reinlassen sollte. Es ging nicht, da ich nach der Verabschiedung die Balkontüre zugemacht hatte. Er saß jedoch noch draußen und rauchte seine Shisha. 

Nein, heute habe ich ihn nicht eingesperrt. Er öffnet mir die Tür und wundert sich nicht. Renate meint: „Du brauchst doch kein Fitnesstudion. Es reicht, wenn du immer die Treppen läufst!“ Da hat sie schon Recht, doch nach oben in den 4. Stock nehme ich dann doch den Fahrstuhl. 

Also, nochmal runterlaufen und losfahren. Durch das gequatsche nebenzu fahre ich schonmal in die falsche Richtung los. Dann biege ich zweimal falsch ab, so dass ich statt 20 Minuten 30 Minuten brauche. Der Redefluss einer Frau ist jedoch nicht zu bremsen. Bei der Massage jedoch muss ich auflegen, da ich einen Termin machen möchte. Vielleicht kann ich damit Andreas motivieren!

Bepackt mit Handtücher, Saunahose und Musik im Ohr gehe ich auf meinen Crosstrainer. Ich bin fast alleine hier. Die Ägypter gehen entweder vor der Arbeit oder dannach. Ich nutze die Zeit dazwischen. Der Vorteil: es hört niemand, wenn ich lauthals zu Supertramp mitsinge. 

Jetzt kommt wieder die Stimme von Roma: „Du sollst nicht nur Ausdauertraining machen, sondern auch Muskelaufbau!“

Als mein Album nach 50 Minuten fertig ist, beginne ich von vorne und gehe zu den Geräten. Ich liebe diese Geräte, denn sie sind selbstsprechend! Du stellst das Gewicht ein, dann beginnst du die Übung. Ein Balken erscheint. Jetzt musst du erst einmal den Balken bis zum Anschlag bringen. Damit wird sicher gestellt, dass du die Übung richtig machst. Dabei solltest du immer einen Smilie sehen. Denn wenn du zu schnell bist, dann kommt statt Smielie ein Hase. Machst du die Übung zu langsam, eine Schildkröte. Natürlich habe ich während der ersten 10 Wiederholungen immer einen Zoo auf meinem Display. Doch dann pendelt es sich ein. Ich liebe diese Geräte! 

Und heute habe ich mein sportliches Soll erfüllt. Mal schauen, ob Günter die nächsten Wochen einen Aufstand probt!